Unerwarteter Sieg lässt aufatmen

Trio steuert 71 Punkte bei: Mit ihrem 88:85 gegen die HTG Bad Homburg überraschen die Basketballerinnen des ASC Mainz vermutlich die gesamte Südgruppe der Zweiten Bundesliga. Jetzt müssen sie herausfinden, wie sich ihr offenkundig vorhandenes Potenzial regelmäßig nutzen lässt. Schon am Montagnachmittag.

Dominique Liggins‘ erster Kommentar lautete: „Wahnsinn!“ Doch der Sportliche Leiter des ASC Mainz war auch zu einer differenzierteren Aussage in der Lage: „Totaler Wahnsinn!“ Doch wer mochte ihm die Fünfsilbigkeit verdenken angesichts dessen, was sich am Samstagnachmittag im Theresianum zugetragen hatte?

„Gegen diesen Gegner kann man verlieren“, war Mainzer Spielerinnen zwei Woche zuvor nach der Pleite gegen die TG Würzburg über die Lippen gekommen. Ein Satz, der prädestiniert schien, um nach dem Heimspiel gegen die HTG Bad Homburg wiederholt zu werden – weshalb Liggins explizit darauf hinwies, ihn nie wieder hören zu wollen. Nach der Partie gegen den Titelkandidaten räumte Liggins ein: „Eine Niederlage hätte wir zumindest nach außen so kommunizieren können, dass man gegen solche Mannschaften verlieren kann“, räumte Liggins ein. So viel Dialektik ersparte ihm die Mannschaft mit einem nicht für möglich gehaltenen 88:85 (68:68, 46:41, 16:21)-Erfolg.

Wie konnte das passieren?
„Wir haben zum ersten Mal seit mindestens drei Jahren gezeigt, dass wir ein Topteam schlagen können“, sagte der Manager, „das gefällt mir an diesem Ergebnis am besten.“ Abgesehen davon fühlte sich der Coup nach zwei herben Niederlagen, von denen die eine (56:81 gegen die TG Würzburg) nicht in der Höhe und die andere (das 35:78-Debakel in München) gar nicht eingeplant war, sehr gut an. Oder, wie Liggins sagte: „Wahnsinn.“
Es war nicht so, dass die favorisierten Gäste unmotiviert über Feld gerannt wären, davon zeugten die 15 Führungswechsel. „Daran hat man gemerkt, dass Bad Homburg selbstverständlich gekommen war, um zu gewinnen. Der Gegner war krass, aber wir waren krasser.“ Wobei sich hinterher auf Seiten der Siegerinnen niemand so recht erklären konnte, was da passiert war. „Das ist das Potenzial, das in dieser Mannschaft steckt“, sagte Aron Duracak, Trainer der Ersten Herren. „Jetzt müssen wir herausfinden, wie wir es dauerhaft nutzen können.“

Hochmut und Fall
Ein Aspekt scheint klar: Wenn es den Mainzerinnen gelingt, die Gegnerinnen zu intensiver Verteidigungsarbeit zu zwingen, „wenn die nicht nur unsere Plays bekämpfen, sondern sich wirklich etwas einfallen lassen müssen, dann können wir selbst mit den Großen mithalten“, betonte Liggins. „Das ist uns zuletzt abgegangen.“ Vor welche Probleme Andre Negrons Frauen die „Falcons“ stellten, zeigte sich unter anderem daran, dass dem ASC-Coach in der entscheidenden Phase noch drei Auszeiten zur Verfügung standen, seinem Gegenüber Jay R. Brown nur noch eine.
Apropos Brown: Den Bad Homburger Trainer und dessen Topscorerin Franziska Worthmann hatte Liggins vor der Halle getroffen, als drinnen noch das JBBL-Spiel gegen die Gladiators Trier lief. „Jay fragte mich, wie es generell bei uns läuft“, erzählte der Sportliche Leiter. „Ich habe durchs Fenster geguckt, die Jungs lagen mit 17 vorne, und ich habe gesagt: ,Insgesamt ganz gut‘. Franziska antwortete, dann könne es ja nur noch schlechter werden, woraufhin Jay warnte: ,Hochmut kommt vor dem Fall‘…“ Liggins, erzählt diese kleine Anekdote mit einem Augenzwinkern, denn klar waren die Favoritinnen vor dem Spiel auch zu Recht selbstbewusst.

Elbert sucht Eins-gegen-eins-Situationen
Worthmann, die vom Erstligisten USC Heidelberg zu den Hessinnen gekommen war, avancierte erwartungsgemäß zur besten Schützin ihres Teams. Alleine im zweiten Viertel traf sie unter anderem drei Dreier, „und wenn die vielleicht beste Schützin der Liga in einem so starken Team heißläuft, musst du als Gegner normalerweise aufpassen, dass du nicht untergehst“, sagte Dominique Liggins. In diesem Fall aber kam es ganz anders. Der ASC gewann den Durchgang mit 30:20 und lag danach mit fünf Punkten vorne.
Nicht zuletzt dank einer überragenden Leonie Elbert, die 14 ihrer 25 Punkte in diesem Abschnitt markierte – und dafür musste die ausgewiesene Distanzschussexpertin nicht mal ihre Spezialkenntnisse anwenden. Stattdessen suchte sie immer wieder Eins-gegen-eins-Situationen und spielte ihrer Gegnerin regelrecht Knoten in die Beine. „Leo konnte machen, was sie wollte, die Falcons haben kein Mittel gefunden, sie zu stoppen.“

Blocks nur angedeutet
Das galt in ähnlicher Form auch für Spielmacherin Kendra Landy und Center Alexandra Berry: Zusammen mit Elbert kamen sie auf 71 Punkte. Am bemerkenswertesten war dabei Berrys Leistungsexplosion im Vergleich zu den bisherigen Saisonspielen, in denen sie kaum zur Geltung kam.
Eines der Rezepte, mit denen sie diesmal 27 Punkte markierte, war das angedeutete Pick-and-roll – Berry rückte vor, um scheinbar einen Block zu stellen, sank aber rasch wieder ab und konnte, da die Verteidigerinnen zu überrascht waren, um schnell genug zu reagieren, die folgenden Pässe unter den Korb frei in Empfang nehmen und verwerten.
Amina Pinjic und Alina Dötsch bedienten sie beispielsweise im vierten Viertel auf diese Art, als der ASC vom 70:68 an noch zweimal den Ausgleich zuließ, bevor er sich absetzte. Entscheidend war der Zwischenspurt von 77:72 auf 85:74, unter anderem mit Rebounds und Fastbreaks von Alina Dötsch und fünf Landy-Punkten am Stück.

USC Heidelberg im Theresianum
Liggins mochte es nicht bei der Lobeshymne auf das Schützinnentrio belassen, er hob auch zwei Akteurinnen hervor, die sich zuletzt in München und gegen Würzburg sehr schwergetan hatten, und diesmal wie befreit aufspielten: Pinjic und Jordis Wächter, die oft gedoppelt wurde, aber ein ums andere Mal die Lücken fand, um die Bälle durchzustecken.
Bereits am Montagnachmittag müssen die ASC-Basketballerinnen erneut ran. Zu Gast im Theresianum wird ab 16.30 Uhr der USC Heidelberg II sein, eine auf dem Papier simple Aufgabe – wer einen Titelfavoriten schlägt, sollte auch mit dem sieglosen Schlusslicht fertigwerden.
Aber Obacht: In der vorigen Saison reiste der USC ebenfalls als Tabellenletzter ohne Erfolgserlebnis an und als Sieger ab. „Wir müssen den Schwung und das Selbstbewusstsein von Samstag mitnehmen, uns aber bewusst sein, dass es ein ganz anderes Spiel wird“, mahnt Liggins an. „Bad Homburg spielt einen grandiosen Basketball, das kam uns entgegen, weil wir das Spiel nicht machen mussten. Heidelberg dagegen wird das Ganze wieder extrem körperbetont angehen. Davon dürfen wir uns nicht beeindrucken lassen.“