München zieht gegen Würzburg den Kürzeren

Die Süddeutsche Zeitung bringt aber trotzdem ein spannendes Feature von Karl-Wilhelm Götte:

Paula Graichen steht zum wiederholten Male allein unter dem eigenen Korb, breitet ihre schlanken, langen Arme zu einer enormen Spannbreite aus und fischt im Zweitliga-Basketballduell der TS Jahn München gegen Würzburg den Rebound herunter. Graichen müht sich lange, um mit ihrem Münchner Team die Angriffe des Tabellenführers aus Unterfranken erfolgreich abzuwehren. Am Ende triumphieren die „Qool Sharks“, so nennen sich die favorisierten Würzburgerinnen, aber noch deutlich mit 74:61.

„Zum Schluss ist uns die Puste ausgegangen“, resümierte Jahn-Trainer Markus Klusemann nach dem Spiel. Das klang nicht enttäuscht. Im Gegenteil: „Wir haben besonders in der ersten Halbzeit prima mitgehalten und die beiden US-Amerikanerinnen über weite Strecken gut aus dem Spiel genommen.“ Besonderen Respekt hatte Klusemann vor Katlyn Yohn, eine amerikanische Profispielerin, die eine Woche zuvor beim Sieg gegen den Ligaersten Bad Homburg erstaunliche 59 Punkte, darunter zwölf Dreier, erzielt hatte. Die 30-jährige Yohn, die vier Jahre in Marburg in der ersten Bundesliga spielte, konnte die Jahn-Formation lange Zeit sehr gut verteidigen, bis zum Schlussviertel kam sie nur auf zwei Dreier.

Nachdem Leonie Kambach aufgrund einer Fußverletzung nicht dabei sein konnte und Olivia Borsutzki frühzeitig mit Fouls belastet war, lag die Last des Jahn-Spiels vor allem auf Paula Graichen. Das Trainerduo Klusemann und Petra Fackler hatte keine Wahl: Die 1,86 Meter große Spielerin musste fast die gesamten 40 Minuten auf dem Parkett stehen, damit wenigstens eine großgewachsene Jahn-Akteurin dem Liga-Spitzenreiter standhielt. Graichen, erst 17 Jahre alt, nahm diese Rolle gegen Würzburg an.

Ihr Talent blieb schon vor Jahren nicht unentdeckt. Sie wurde bereits in die U16-Nationalmannschaft berufen, aktuell spielt sie für die deutsche U18-Auswahl. Angefangen hat sie mit Basketball bei der DJK Sportbund München. Dort spielte sie mangels Mädchenmannschaft mit Jungs zusammen. Petra Fackler lockte sie als Trainerin der U13-Mädchen zur TS Jahn. „Das war und ist einfach ein tolles Mädchen“, sagt Fackler, und man spürt ihre Begeisterung. Paula Graichen legte 2019 eine Pause bei Jahn München ein, als sie acht Monate zum Schüleraustausch in die USA weilte.

„Die Leistung der Mannschaft war gut“, lobt Jahn-Coach Klusemann. „Zwischen dem Saisonbeginn und heute liegen Welten.“
Auch dank der Treffer von Graichen hielten die Münchnerinnen den Rückstand gegen Würzburg in Grenzen. Zur Pause führte der Ligaprimus lediglich 37:33. Graichen zeigte sich auch in der Offensive nervenstark. Sie punktete nicht nur aus der Nahdistanz, sie erzielte auch zwei Dreier bei nur zwei Versuchen. Mit 18 Punkten war sie zusammen mit Theresa Spatzier auch beste Werferin der Mannschaft. Erst vier Minuten vor der Schlusssirene kippte das Spiel endgültig auf die Würzburger Seite, als der Tabellenführer mit 72:56 davonzog. Zuvor hatte Yohn ihr Dreierkonto auf vier geschraubt, als den Jahn-Spielerinnen in der Verteidigung die Energie ausging und die US-Profispielerin immer wieder zu freien Würfen kam. 27 Punkte standen am Ende für Yohn doch noch in der Statistik. „Der Gegner hat zum Schluss viel Druck gemacht, da hat uns dann die Power gefehlt“, räumte Graichen ein, die auch auf sieben Rebounds kam.

Talena Fackler punktete mit elf Zählern erneut zweistellig und auch Viktoria Sarkozi und Constanze Ehrmeier finden sich immer besser zurecht. „Die Leistung der Mannschaft war gut“, lobte Jahn-Coach Klusemann. „Zwischen dem Saisonbeginn und heute liegen Welten.“ Ein Extrabeifall des Trainers ging aber an Graichen. „Sie hat sich zu einer Leistungsträgerin entwickelt“, unterstrich Klusemann. Was ihn besonders beeindruckt, ist ihre Fähigkeit als Allrounderin. „Sie kann als größte Spielerin alle Positionen spielen, „und das sehr effizient“, hob er hervor, und fügte an: „Emily Bessoir und Leonie Fiebich sind da wohl ihre Vorbilder.“

Bessoir und Fiebich waren einst die Aushängeschilder des Vereins. Fiebich spielt heute beim Erstligisten Wasserburg, Bessoir in der Universitätsmannschaft von UCLA in Los Angeles. „Ja, Emily ist ein Vorbild für mich“, bestätigte Graichen, „sie zeigt, was man als große Spielerin alles machen kann: Aufbau, unter dem Korb und Dreierwerfen.“ Ob Graichen, die mit Bessoir in der Jugend-Bundesliga zusammenspielte, deren hohes Niveau erreichen kann, bleibt abzuwarten. Jedenfalls habe sie, so Klusemann, schon dazu beigetragen, dass Jahn München sich mit einer sehr jungen Mannschaft sehr ordentlich in der zweiten Liga halten kann.

Quelle: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/basketball-effiziente-allrounderin-1.5227736