Hurricanes trotzen dem Latimer-Abflug

Die Amerikanerin verabschiedet sich vor dem Spiel gegen Herne/Recklinghausen. Auch ohne sie gewinnen die Basketballerinnen von Christian Greve.

Scheeßel – Mit der Verpflichtung von Chyna Latimer hatten die Avides Hurricanes im Sommer einen echt guten Griff getätigt – hatten wohlgemerkt! Die aus South Carolina stammende Flügelspielerin mit der Double-Double-Garantie stand bereits im Heimspiel gegen die Metropol Ladies Herne/Recklinghausen nicht mehr im Kader des Basketball-Zweitligisten. „Sie ist schon in den USA“, teilte Coach Christian Greve am Rande der Partie mit. Sein Team kam dennoch zu einem ungefährdeten 93:65 (58:23)-Sieg vor knapp 200 Zuschauern in Scheeßel.
Am Freitag hatte Latimer den „Abflug“ gemacht, nachdem sie wenige Tage zuvor das Gespräch mit Greve gesucht hatte. „Sie ist mit der Situation des Hier-Lebens nicht so klargekommen. Sie sagt, sie bekommt eine Antriebslosigkeit. Mir war da relativ klar, dass wir keinen Versuch unternehmen müssen, sie zum Bleiben zu überreden, wenn sie in einem mentalen Tief ist. Das macht keinen Sinn“, erklärt der Trainer. Utz Bührmann, Vorstand der Hurricanes, spricht von „Heimweh“ und ergänzt: „Das Dorf ist ihr doch zu klein. Schade, sie ist eine super Spielerin.“ Verständnis für ihre Entscheidung, den Vertrag aufzulösen, erhält Latimer auch von der Mannschaft. Kapitänin Pia Mankertz erklärt: „Wir haben uns richtig gut mit ihr verstanden. Aber es kann schon einsam sein auf dem Dorf. Wir haben dreimal die Woche Training, dann noch ein Spiel – das sind drei Tage in der Woche, wo sie keinen von uns sieht – das ist nicht jedermanns Sache. Wir können es nachvollziehen, es ist ihr keiner böse.“
Doch wie geht es jetzt weiter beim amtierenden Zweitliga-Meister? „Ich werde den Markt sondieren“, sagt Greve. Er hatte auch mit den Routiniers Mankertz und Hannah Pakulat über die Situation gesprochen. „Und wir warten erst mal bis Weihnachten ab und gucken, wie es läuft und ob wir dann Bedarf sehen.“ Bührmann fügt an: „Wir wollen nicht mit Gewalt jemanden holen. Jetzt kriegst du ohnehin nur Spielerinnen, die teuer oder woanders durchgefallen sind.“ Und Pia Mankertz fragt: „Was wollen wir? Unbedingt aufsteigen?“ Um die Antwort selbst zu geben: „Nein, wollen wir nicht! Wir haben schon einen bestimmten Anspruch an uns selbst, aber wir wollen abwarten.“
Duplizität der Ereignisse: Auch die Gäste aus Herne/Recklinghausen hatten sich gerade erst von ihrer zweiten amerikanischen Profispielerin, Pointguard Maia Fawcett, getrennt – aus Verletzungsgründen. Bei den Hurricanes schien der überraschende Abgang offensichtlich nicht für Unruhe gesorgt zu haben. Zumindest starteten die Gastgeberinnen so fokussiert in die Partie, dass sie schon nach dem ersten Viertel mit 29:8 vorne lagen und mit fünf Dreiern durch Mankertz, Leonie Rosemeyer (2) und Jillian Schwarz (2) im zweiten Viertel bereits zur Pause alles entschieden hatten – 58:23.
Greve hatte längst munter durchgetauscht und Talenten wie Schwarz, Anna Lena Skeib, Luise Linke und Paula Huber-Saffer viel Spielzeit gegeben. Am Ende sollten alle ohne Ausnahme mindestens vier Punkte auf dem Konto haben. „Unser Ziel ist es, am Anfang Gas zu geben, um die Möglichkeit zu haben, die, die sich im Training den Hintern aufreißen, gut mit einzubauen und allen gleichermaßen viel Spielzeit zu geben“, betont Mankertz und ergänzt: „Wenn du dann so hoch führst, ist es schwierig, das Level zu halten.“ Dementsprechend gestaltete der neuerdings von Nemanja Lambergar gecoachte Erstliga-Nachwuchs aus Herne die zweite Halbzeit auch ausgeglichen, mit kleinen Vorteilen für sich. Insbesondere die Ukrainerin Khrystina Kulesha stach mit ihren 26 Punkten hervor. Die junge Clara Bielefeld war wiederum in guten Händen bei Hannah Pakulat. „Sie hat sie gut aus dem Spiel genommen“, lobte Greve, sah allerdings auch Verbesserungspotenzial im Spiel seines Teams: „Wir müssen die Screens, die Blöcke, besser verteidigen.“ Zudem merkte der Coach an: „Ärgerlich ist es für Pia gelaufen.“ Seine starke Kapitänin stand mal wieder kurz vor einem Double-Double, verpasste diesen mit neun Assists aber ganz knapp.

(Freese, Rotenburger Kreiszeitung)